Bayern? NEIN!! Franken? Natürlich!




Das wird einem sofort klar, wenn man den Namen der Halle am Messegelände neben der Bayernstraße sieht.

Nach den vielen Kontakten zu Nazi-Verbrechen war es mir natürlich ein "innerer Reichsparteitag", mal die Stadt aufzusuchen, die von den Nazis für Propagandazwecke missbraucht wurde.
Denn Nürnberg ist nicht nur die Stadt der Reichsparteitage oder der Geburtsort des karrieregeilen Herrn Markus S., der immer noch träumt, Kanzlerkandidat zu sein.
sondern unter Stadthistorikern und Kunsthistorikern galt viel mehr Nürnberg als das "Hildesheim des Südens" und verdient sich damit meinen Besuch.
Wegen der Anfahrt mache ich die Tour mit einer Nächtigung, um Stress zu vermeiden.
Nürnberg ist mit rund 520.000 Einwohnern nach München die zweitgrößte Stadt Bayerns und gehört zu den 15 größten Städten Deutschlands.
Erstmals erwähnt wurde die Stadt Nürnberg bereits in einer Urkunde aus dem Jahr 1050, ihre Blüte erlebte sie als eigenständige Reichsstadt des Heiligen Römischen Reichs ab 1219,
als sie mehrere Reichstage abhielt.
Der Name der Stadt leitet sich von "nor" für „steiniger Fels“ ab und bezeichnete den von weit her sichtbaren Keuperfels mit der Burg.
Sie und die zu ihren Füßen entstandene Siedlung wurden wohl nach dem Felsberg benannt. "Im Zeichen der Burg" eben!
Ich betrete die Stadt am Hauptbahnhof und gehe gleich zum Handwerkerhof rüber.



Das ist der Eingang zum Handwerkerhof.



Hier werden zahlreiche Handwerkerläden mit Nürnberger Handwerkstraditionen betrieben.
Vom Zinngießer, Glaskunsthandwerker und Goldschmied bis zum Lebkuchenbäcker sind hier vertreten und bieten ihre Produkte an.



Und natürlich gibt es auch Gaststuben. Hier kann man es sich gemütlich machen!



Rund um Nürnberg ist die alte Stadtmauer (fast noch vollständig) erhalten. Hier umschließt sie den Handwerkerhof



In der Nähe der Burg ist auch noch der Wehrgang erhalten.
Nach meinem vorher festgelegtem Weg gehe ich auf die Burg zu.



Es beginnt gleich mit der St. Klara Kirche, die 1274 Teil eines Klosters war.



Eine Kostbarkeit ist diese Kreuzigungsgruppe von Veit Wirsberger.



Typisch bayrisch (sorry liebe Franken!) : Die Mauthalle: Von 1498 bis 1502 errichtetes Lagerhaus für Korn und Salz, ab 1572 reichsstädtisches Waag- und Zollamt.



Jetzt bin ich also am Lorentzer Platz.
Das Wetterhäuschen von 1878 sollte nur die Trafostation darunter verbergen. Heute ist es Treffpunkt für Verliebte.



Der Tugendbrunnen dekoriert seit 1589 den Wasserspender der Stadt, der von einem auswärts gelegenen Wasserwerk gespeist wurde.
"Aus dem Brunnentrog ragt in der Mitte eine runde, bronzene, dreigeschossige Brunnensäule die mit den Sinnbildern der Tugenden reich verziert ist.
Der Schaft der Säule ist geschmückt mit Girlanden, Engelsköpfen, Muscheln und Masken.
Darüber befindet sich eine Schale mit weiblichen Allegorien der sechs Haupttugenden: Glaube mit Kreuz und Kelch, Hoffnung mit dem Anker, Liebe mit zwei Kindern,
Tapferkeit mit Löwe, Mäßigung mit einem Krug und Geduld mit einem Lamm. Darüber befindet sich eine weitere Schale mit sechs wappenhaltenden, posauneblasenden Knaben.
Auf der Spitze der Säule thront die Verkörperung der siebten Tugend: Die Gerechtigkeit." Quelle



Den Namen hat der Platz von der hochgotischen Lorenzkirche. Baubeginn um 1250.



Das Westportal wurde Mitte 14. Jahrhundert fertiggestellt. Mit der stiltypischen Rosette.



Die Rosette ist von mittelalterlicher Glasmalerei  ausgefüllt. Die umgebende Orgel ist eine der größten Orgeln der Welt.



Solche Kerzenständer fehlen mir noch!



Eines der vielen Glasfenster.



Der Engelsgruß von Veit Stoß von 1518 ist inzwischen restauriert.



Nürnberg hat´s mit Brunnen! Der Narrenschiffbrunnen wurde ürsprünglich vom braunschweiger Künstler Jürgen Weber für Hameln erschaffen.
Als Vorlage dienten die Illustrationen zum satirischen Buch von Sebastian Brant "das Narrenschiff" von 1494, die wohl ein gewisser Albrecht Dürer (siehe später) erstellte.
Das zweite Exemplar wurde 1987 zu einer Kunstausstellung erstellt, von einem Mäzen erworben und Nürnberg gestiftet.
Die Stadt lehnte aber einen Wasseranschluss ab. Deshalb steht das Schiff auf diesem Hügel. Auf Jürgen Weber komme ich später beim Ehekarussell zurück.



Das Heilig-Geist-Spital wurde 1332-39 als Stiftung eines reichen Patriziers für Alte und Bedürftige errichtet.



Ich habe mich bis zum Hauptmarkt vorgearbeitet. Das Rathaus wurde in mehreren Etappen errichtet. Und nach Zerstörung im 2. Weltkrieg wieder aufgebaut.



Links ist ein neuerer Bau vom Rathaus. Der Markt steht kurz vor dem Feierabend.
Ich blicke auf das Portal der Stadtpfarrkirche Unserer Lieben Frau, kurz Frauenkirche genannt.
Kaiser Karl IV stiftete sie gegen 1360 der Stadt. Unter der Uhr findet das Glockenspiel "Männleinlaufen" statt.
Zur Eröffnung des Nürnberger Christkindlesmarktes spricht das Christkind den Prolog auf der Empore der Frauenkirche.



Im Altarraum kann man das "Kaiserfenster" (in der Mitte) sehen, das noch von Karl stammt. Davor der Tucheraltar von 1440.



Für diese Installation hat man den originellen Namen "schöner Brunnen" gewählt. Seit 1336 steht er neben dem Rathaus wie eine 19 m hohe gotische Kirchspitze.
"Die vierzig farbig bemalten Figuren des Brunnens stellen in vier Stockwerken das Weltbild des Heiligen Römischen Reiches dar. Von unten sind dies:
Philosophie und die Sieben Freien Künste, die vier Evangelisten und die vier Kirchenväter, die sieben Kurfürsten und die Neun Guten Helden, Moses und sieben Propheten.
Die Wasserspeier symbolisieren die sieben Laster sowie den Glücksbringer Adebar." (Wikipedia)



Das Innenleben des schönen Brunnens.



Das alte Rathaus von der Seite.



Und da steht ER, der bekannteste Nürnberger, Albrecht Dürer. Sein Denkmal steht - welch Wunder - auf dem Albrecht Dürer Platz.
Ist aber weit entfernt vom Albrecht Dürer Haus.
Nicht weit vom Rathaus entfernt steht auch dieses Denkmal.



Zunächst muss ich mal die Fake-News richtig stellen: Im Mittelalter gab es keinen ernst zu nehmenden Menschen, der die Meinung  vertrat, dass die Erde eine flache Scheibe sei.
Galileo stritt nur über die Frage, ob sich die Erde oder die Sonne bewegt ("und sie bewegt sich doch!" brachte ihm die Kirchenacht ein).
Martin Behaim (* 1459 in Nürnberg; † 1507 in Lissabon), ein Tuchhändler aus Nürnberg und Ritter des Königreichs Portugal hatte die Idee und erhielt vom Nürnberger Rat den Auftrag
ein Abbild dieser Erde zu erstellen, das er Erdapfel nannte. Leider legte er nicht die Berechnungen von Eratosthenes von etwa 270 v.Chr. zugrunde, der ziemlich genau den Umfang
der Erde ermittelte. Behaim legte die bis dahin vermessenen Erdteile (Europa, Asien, Afrika) auf eine Kugel, die nicht maßstabsgerecht war.
Da sich Kolumbus danach richtete, musste er sich irren und den unbekannten Erdteil Amerika für sein Ziel (Indien) halten.
Die nach diesem Irrtum benannten Indianer dürften sich nicht gefreut haben. Die Wikinger haben Amerika auch ohne Erdapfel gefunden.



Die auf einem Sockel stehende, überlebensgroße Bronzefigur berührt mit der rechten Hand den Erdapfel.
Die beiden etwas tiefer rechts und links sitzenden Frauenfiguren aus Bronze symbolisieren Handel und Wissenschaft, also die beiden Tätigkeitsbereiche Behaims.



Zur Burg führt vom Rathaus aus die mir persönlich gewidmete Straße?



Ist ja irre, da steht ein Fachwerkhaus!



Am höchsten Punkt der Stadt liegt die Burg. Man sieht, dass die Erbauer hier Natur- und Ziegelsteine gemischt haben.



Innen liegt hier der Aufgang.



Die Trutzburg.



Der Burgeingang.



Die Kaiserstallung wurde 1495 erbaut, diente ursprünglich als Kornspeicher und heute als Jugendherberge.



Der Margarethenbrunnen gibt den süchtigen Besuchern Gelegenheit, ihr Kleingeld zu entsorgen.



Ich steige am Neutor wieder von der Burg ab. So habe ich einen zweiten Weg, um meine Ziele aufzusuchen.



Dieses eher unauffällige Gebäude enthält einen Zugang zu den Felsenkellern der Burg.
In diesen wurden im 2. Weltkrieg wichtige Kunstschätze der Stadt gesichert und der Nachwelt erhalten.



Hier steht auch das Albrecht-Dürer-Haus. Dürer lebte hier von 1509 bis 1528.



In der Weißgerbergasse stehen einige Fachwerkhäuser, die früher von Handwerkern bewohnt wurden.



Okay, mit Hildesheim kann Nürnberg auch mit diesen Häusern nicht mithalten! 


Jahrhunderte lang führte nur ein Holzsteg die Fußgänger über die Pegnitz.
1824 entstand hier mit 68 m Länge die erste eiserne Hängebrücke auf dem europäischen Festland.



Der Blick von der Kettenbrücke zeigt (rechts) den Henkersteg von 1457. Die Büsche verstecken das Häuschen.



Der Henkersteg führt, wie der Name verrät, zum Haus, in dem im 16. bis 19. Jahrhundert der Henker wohnte.



Hier kann man sehen, dass Baumpilze nicht nur in Wäldern gedeihen.



Am Weißen Turm steht dieses Haus, in dem der Alpenverein residiert. Es ist das Überbleibsel eines Stadttores, heute U-Bahn-Ausgang.



Das ist der Weiße Turm, ein ehemaliger Torturm des Verteidigungssystems. Im Rahmen der Renovierung wurde der namensgebende weiße Putz entfernt.
Der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs verfasste für seine Frau das Gedicht: Das bittersüße ehlich' Leben hier der vollständige Text
Jürgen Weber (siehe Narrenschiff) entwarf dazu diesen Brunnen zu einigen von ihm veranschaulichten Versen. Und oben drüber tanzt Hans Sachs.
Ich stelle jetzt nicht alle Passagen vor, aber weshalb der Brunnen heftig umstritten ist, zeigt wohl dieser Ausschnitt:



Mein Frau ist oft mein Schimpf und Scherz, Ist oft mein Jammer, Angst und Schmerz,
Sie ist mein Wonn und Augenweid, Ist oft mein Traurn und Herzeleid
Sie ist mein Freiheit und mein Wahl, Ist oft mein Gfängnis und Notstall,
Sie ist meine Hoffnung und mein Trost, Ist oft mein Zweifel, Hitz und Frost.

Ja, da hätte ich auch Assoziationen wie Jürgen Weber?



Jetzt befinde ich mich in der Fürther Straße. Einige Häuser haben hier ein Design aus früherer Zeit.



Auch das Oberlandesgericht hat eine Fassade in Neo-Renaissance. Hier wurde u.a, Gustl Mollath rehabilitiert.



Quod erat demonstrandum: Die Zukunft is coming soon!

Nur die Vergangenheit kann man nicht mehr verändern!
Leider spielte die Stadt Nürnberg zwischen 1933 und 1945 ein traurige Rolle, die ich nicht unterschlagen kann und will:
Die Nazis beriefen sich auf die Tradition der Nürnberger Reichstage des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und verlegten ihre Reichsparteitage nach Nürnberg.
Im Freizeitpark Luitpoldhain ließ Hitler seinen Lieblingsarchitekten Albert Speer das Reichsparteitagsgelände nach Hitlers Selbstbild angemessen gestalten.
Es wurden nicht alle Entwürfe in die Tat umgesetzt und Nürnberg war logischerweise Lieblingsziel von Bombenangriffen. Daher sind nur einige Bauwerke erhalten bzw. rekonstruiert.



Der größte Monumentalbau fällt einem natürlich sofort ins Auge.
Die Kongresshalle ist – nach Prora auf Rügen (auf meiner Seite ganz hinten) – der zweitgrößte erhaltene nationalsozialistische Monumentalbau in Deutschland und steht
unter Denkmalschutz.
Die Halle war als Kongresszentrum für die NSdAP mit Platz für 50.000 Menschen geplant. Von der vorgesehenen Höhe von rund 70 Metern wurden nur 39 erreicht.
Modell stand des Marcellustheater im Museo della Civiltà Romana, Rom. Der größte Teil des Baus ist aus Ziegelsteinen gemauert;
die Fassade wurde mit großen Granitplatten „aus allen Gauen des Reiches“ verkleidet.
Das U-förmige Gebäude schließt an der Nordostseite zum großen Dutzendteich hin mit zwei Kopfbauten ab.
Ganz links ist das Dokumentationszentrum untergebracht. Die Grundsteinlegung erfolgte 1935, der Bau blieb jedoch unvollendet, insbesondere kam es nicht mehr zur Überdachung
2003 wurde auf dem Dach der Nürnberger Kongresshalle eine Photovoltaikanlage mit 295 kWp installiert.
Die Stadt Nürnberg erzeugt mit dieser Anlage rund 300.000 kWh Ökostrom pro Jahr (wikipedia)



Im südlichen Trakt, dem Serenadenhof, haben die Nürnberger Symphoniker ihren Sitz.



So kann man das Plagiat von römischen Bauten erkennen.



Hier am Großen Dutzendteich konnte man sich nach dem Parteitag etwas entspannen.



Wie immer brauchen Diktatoren große Wege für ihre Aufmärsche, an denen sie das Volk nach ihrer Pfeife tanzen lassen können.
Deshalb führt die Große Straße mitten durch das Gelände. Sie ist heute ein überdimensionierter Parkplatz.
Der Bau der Großen Straße als Aufmarschstraße und zentrale Achse des Geländes wurde 1939 beendet.
Sie ist in nordwestlicher Richtung auf die mittelalterliche Kaiserburg ausgerichtet. Dadurch sollte eine historische Verbindung zum Heiligen Römischen Reich und zu den Reichstagen in
Nürnberg hergestellt werden. Sie konnte jedoch nie für Parteitage benutzt werden, da nach Kriegsbeginn keine solchen Veranstaltungen mehr stattfanden.



Ich fand es zuerst befremdlich, dass dies der heutige Anblick des so schicksalsträchtigen Geländes (Nürnberger Gesetze!) ist.



Hier findet also das Nürnberger Volksfest Nürnbärland statt.
Aber die Nazis hatten ja das Vergnügungsgebiet für ihre Zwecke entwendet und jetzt hat das Volk es zurückerobert.



Im Park konnte ich natürlich auch ein paar Tierchen beobachten wie diesen Graureiher und den Kormoran in seiner typischen Pose, beim Gefiedertrocknen.



Besonders hat mich dieses muntere Kerlchen begeistert, auch wenn es zu schnell für meine Kamera war.
Immerhin das erste braune Eichhörnchen (nach 2 schwarzen, die ich vorher sah). Also kein Migrant auf dem Naziterrain!






Auch die Siegermächte können Symbolik! Sie haben sich für das Gerichtsvérfahren über die Nazi-Verbrechen das Oberlandesgericht in der Stadt der Reichsparteitage
ausgewählt und führten dort die "Nürnberger Prozesse" durch. Mit Folgeprozessen wurden 185 Personen angeklagt.
Von den Angeklagten wurden 35 freigesprochen. 24 wurden zum Tode verurteilt, 20 zu lebenslanger Haft und 98 zu Freiheitsstrafen zwischen 18 Monaten und 25 Jahren.
Am 31. Januar 1951 setzte der Hochkommissar John Jay McCloy zahlreiche Strafen herab. Von den zum Tode Verurteilten, für die sich unter anderem der spätere Bundeskanzler
Konrad Adenauer verwendet hatte, wurden zwölf hingerichtet, elf zu Haftstrafen begnadigt und einer an Belgien ausgeliefert, wo er in Haft starb. (Wikipedia)
In Saal 600 wurde das eingeführt, was jetzt das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag fortführt.

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