Hansestadt Gardelegen

1998 haben sich mehrere ehemalige altmärkische Hansestädte werbewirksam zum altmärkischen Hansebund zusammengeschlossen.
Dazu gehören neben Gardelegen auch: Stendal, Tangermünde, Salzwedel, Havelberg, Seehausen, Osterburg und Werben.



So verteilen sich diese Städte nach ihrem Werbeflyer. Wer Backsteingotik liebt, kann sich hier etwa eine Woche lang austoben.
Aber keine Sorge, ich habe mir nur drei Städte davon ausgewählt.

Den Anfang mache ich in Gardelegen.
Die Hansestadt Gardelegen im Altmarkkreis in Sachsen-Anhalt ist dank ihrer 49 Ortsteile, die im ländlichen Raum verstreut liegen, seit dem 1.1. 2011 durch eine Gebietsreform
mit 632 km² der Fläche nach hinter Berlin und Hamburg drittgrößte Stadt Deutschlands. Einwohnermäßig reicht es mit 22 000 nicht so ganz zu einem solchen Spitzenplatz!
Nicht ganz unschuldig am Flächenrekord ist die Colbing-Letzlinger Heide, die größte zusammenhängenden Heidefläche Mitteleuropas, die durch Waldzerstörung im hiesigen
Truppen-Übungsplatz geprägt wurde und teilweise zum Stadtgebiet gehört.
Die erste schriftliche Erwähnung des Ortes stammt aus dem Jahre 1121 als Gardeleve. Gardelegen trat 1353 dem Altmärkischen Städtebund und 1358 der Hanse bei.
Das Gardeleger Bier, besonders der altmärkische Hopfen (vgl. Wappen!) waren neben Getreide und Töpferei-Produkten ihre bevorzugten Handelsgüter

 

Hier ist ein wenig von dem Hopfen auf der Wallanlage zu sehen.



Auf dem Weg in die Innenstadt liegt die Nikolaikirche von 1420, die durch einen Luftangriff zerstört und nur teilweise rekonstruiert wurde.



Im Stadtzentrum liegt das Rathaus. Nach einem Stadtbrand wurde es von 1526 bis 1552 neu errichtet.
Das hier ist die Ostseite.



Auf der Südseite sind die Bögen biologisch abgeschirmt. Und links steht der Roland.



In den Bogengängen kann man heftig besch.... werden, denn hier sind Schwalben beheimatet.



Und das ist der Nachbau des Rolands, wie er 1727 ausgesehen haben soll.



Der bekannteste in Gardelegen geborene Bürger ist wohl der Humorist Otto Reutter.
So fasste er seine Biographie zusammen: "„Kaufmann gelernt. – Heimlich entfernt.
                                                         Schlich zum Theater – Zwist mit dem Vater!
                                                         Mutter versöhnlich – wie das gewöhnlich.“



Das ist das älteste mit Stein erbaute Profanhaus Gardelegens, wahrscheinlich das Hauptquartier von General Heinrich zu Pappenheim.



Dieses Gebäude diente bis 1914 als Betraum der jüdischen Gemeinde.



Ein Bürgerhaus von 1687.



Eine Marienkirche gibt es in Gardelegen seit 1200. In mehreren Etappen wurde sie erweitert und Brandschäden beseitigt.
Ab 1539 predigte hier ein Schüler Luthers, wodurch die Reformation in die Altmark kam.



Gegenüber steht dieses Haus mit dem Hinweis unter dem Fenster: "328 Jahre versteckt und wieder entdeckt".



Das Hospital St. Spiritus. 1723 wurde es eingerichtet und war eines von 5 Hospitälern der Stadt.



1895 errichtete die Post ihre Filiale in Gardelegen.



Wie im Mittelalter üblich, war auch Gardelegen von einer Verteidigungsanlage umgeben.
Hier sieht man noch Reste der alten Stadtmauer mit einem Pulverturm.




Die Mauer war durch einige Tore durchlässig. Erhalten geblieben ist dieses Salzwedeler Tor, etwa aus der Mitte des 16. Jahrhunderts.



Gleich hinter dem Salzwedeler Tor kam die Tormühle.



Dieses Wasserrad trieb sie an.


Die Grünanlagen, die zu einem Wallbummel einladen, entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts auf den Resten der ehemaligen Stadtbefestigung.




Teilweise hat man die ehemaligen Wallanlagen auch parkmäßig ausgestaltet.



Auch einige Skulpturen lockern das Bild auf.



Besonders angenehm ist ein Spaziergang am Stadtgraben, der als Überflutungsbecken angelegt war.



Natürlich ist er das Revier von Mami Ente und ihren Kleinen, die sie hier scheinbar säugt.



An einigen Stellen gibt es in der ehemaligen Wallanlage auch Tiergehege.



Verdammt, die liegen da wild rum.

Außerdem lag die Stadt seit dem 11./12. Jahrhundert im Schutz der Burg Gardelegen, genannt Isenschnibbe.
1783 wurde lt. Wikipedia die Burg abgetragen und dafür das Gut erbaut.



Burg Isenschnibbe und Stadt Gardelegen um 1600 – Zeichnung von Anco Wigboldus (aus Wikipedia)



Ich parke am Burgwall, und sehe (vermutlich) den Rest dieser Anlage.

Bei meiner eigenen Klassenfahrt nach Paris blieb mir die Metro-Station Gare de lest (Ost-Bahnhof) als einzige französische Vokabel in Erinnerung. Ich war Lateiner!
Jetzt google-translate ich mal nach "Gare de leg ende" und erhalte "Beinend-Station". Wer will, kann es auch mit "en.de" versuchen und erhält "in .de"
Ist schon ein makabrer Zufall zum folgenden Kapitel Isenschnibbe!
Am 13. April 1945 endete auf dem Gelände von Gut Isenschnibbe einer der systematischen Nazi-KZ-Todesmärsche:
1016 KZ-Häftlinge sollten, um die Spuren zu verwischen, per Bahn aus den frontnahen KZ-Außenlagern, wie Neuengamme in Hannover-Stöcken oder
Mittelbau Dora (Nordhausen) umgesiedelt werden, bevor die gegnerischen Truppen das Lager erreichen könnten.
Als der Zug kriegsbedingt zum Stoppen kam, wurden die Gefangenen von der SS mit Unterstützung von Bürgern der Stadt zu Fuß zum Gut Isenschnibbe getrieben.
Die Gefangenen, die es schafften, diesen Marsch zu überleben, wurden in die Isenschnibber Feldscheune eingepfercht. Dann zündeten die Truppen die Scheune an.
Aus der brennenden Scheune flüchtende Gefangene wurden unverzüglich erschossen!
Diese Aktion sollen sogar 7 bis 33 Gefangene überlebt haben, kaum vorstellbar! Auf Tafeln im Gelände gibt es einige Beschreibungen von Überlebenden, wie sie das geschafft haben.
Einen Tag später wurde die Stadt kampflos der US-Armee übergeben.
Die fanden wohl unter den Toten versteckt einige Überlebende, denn für die Fertigstellung des Massengrabs reichte die Zeit nicht mehr aus!
Wikipedia stellt fest: "Nach Augenzeugenberichten wurden 20 SS-Männer als Beteiligte am Massenmord von den Amerikanern an Ort und Stelle erschossen.
Der Hauptverantwortliche für den Massenmord von Gardelegen, der NSDAP-Kreisleiter und SS-Obersturmbannführer Gerhard Thiele, konnte mit falschen Papieren untertauchen;
Er wurde nie gefasst, starb 1994 und wurde erst danach enttarnt."
Wer sich solche Mühe gibt, die Spuren seines Handelns zu vertuschen, der hat sicher niiieemaals auch nur ungefähr geahnt, dass er Unrecht begeht!



So sieht ein Friedhof mit etwa 1016 Gräbern (einige weitere Tote wurden dort bestattet) aus, den die Amerikaner von den Bürgern Gardelegens anlegen ließen.
Fast alle Gräber sind Unbekannten gewidmet. Einige Gräber zeigen auch die Häftlingsnummer an, die man irgendwie an der Kleídung entdeckte.



Mit einer Holztafel unterstrichen sie, dass dieser Ort unter Schutz der Siegermächte steht. Die DDR ersetzte später die Tafel. In ihrem Text fehlte der Hinweis,
dass die USA den Friedhof anlegen ließen. Ein Beispiel für Manipulation durch Weglassen!



Zentraler Gedenkstein zwischen den Kreuzen.



Und das ist - natürlich baulich stabil gemacht - ein Rest der Scheunenmauer.



Bronzeplastik vor dem Mauerrest.



Etwa 12 km südlich von Gardelegen Zentrum liegt der heutige Stadtteil Letzlingen. Er ist einer der Randorte, die der Colbitz-Letzlinger Heide ihren Namen gaben.
Außerdem bietet er dem Auge das Jagdschloss Letzlingen.
Die „Hirschburg“ wurde 1560 bis 1568 auf Befehl des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg als Jagdschloss erbaut.
Nachdem die alte „Hirschburg“ über lange Zeit in Vergessenheit geriet, erweckte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die Jagdresidenz zu neuem Leben
und ließ sie im neugotischen Stil umbauen. (So ist es auf deren Homepage notiert) Sie ist damit das einzige erhaltene Hohenzollernschloss in Sachsen-Anhalt.
Heute enthält sie ein Hotel.



Und gegenüber steht die Schlosskirche. Beachtet, wie sich das Wetter verändert hat! Kaum sitze ich für die Heimfahrt im Auto, fallen die ersten Tropfen. Just in time!

Auf der Anfahrt nach Stendal fuhr ich auch durch das riesige Stadtgebiet von Gardelegen. Dabei kam ich durch den Stadtteil Kloster Neuendorf.
Den Bericht dazu hab ich hier eingefügt.
Das Zisterzienser-Kloster wurde 1232 erstmalig erwähnt. Es war ein Frauenkloster.



Und das ist die Klosterkirche St. Marien.



Die Kirchenfenster sind zu verschiedenen Zeiten entstanden und haben heute kunstgeschichtlichen Wert.



Das sind einige erhaltene Gebäudeteile des Klosters.



Ein Teil des Kreuzganges



Dieses Speicherhaus steht gegenüber von der Klosterkirche. Das massive Erdgeschoss diente als Gefängnis, der Teil darüber war Speicher.

Zur Fläche Gardelegens trägt auch Zichtau bei. Heute werden im Gut kulturelle Veranstaltungen angeboten. In der Orangerie werden auch Trauungen durchgeführt.
Auf Gut Zichtau war ich schon 2016. Diese Eindrücke hänge ich hier an.



Der Eingang zum Gut.



Die Orangerie.



Der Schlossteich.



Ob das für ein Paar Wintersocken reicht?

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