Landmarke 22 Ilseder Hütte
14.
Stahlproduktion im Peiner Land: Ilseder Hütte
Quelle
Ilsede liegt im Kreis Peine. Hier bin ich 1965 mal eben etwas gesprungen,
um einen Überblick über das Werk zu erhalten.
(Links erkennt man die
dampfenden Kühltürme, mittig am Ende der Straße steht der Wasserturm.
Und daneben wurde Eisenerz geschmolzen und zu Stahl weiter bearbeitet.
Diesen Job hat jetzt Salzgitter-Stahl übernommen.)
"Die Produktion im
Hochofenwerk wurde offiziell am 1. September 1860 aufgenommen. Am 12.
September 1860 wurde der erste,
am 5. November 1861 der zweite
Hochofen angeblasen. 1870 wurde mit dem Bau einer eigenen Kokerei
begonnen.
Zur Stahlproduktion wurde 1873 das Peiner Walzwerk
gegründet und 1880 von der Ilseder Hütte übernommen.
Mit Ausnahme des
Jahres 1945 produzierte die Ilseder Hütte bei ständiger Erweiterung der
Werksanlagen kontinuierlich Roheisen.
1970 erfolgte in einer Zeit
der Strukturkrise in der Stahlindustrie die Fusion mit der Salzgitter
Hüttenwerk AG zur Stahlwerke Peine-Salzgitter AG.
Obwohl in den
Erzlagerstätten des Ilseder Raums noch genügend Erz vorhanden war,
konnte dem Druck der billigeren und höherwertigen
Importerze nicht
widerstanden werden. Am 30. Juni 1976 wurde in Bülten (Schacht Emilie)
und am 31. Dezember 1977 in Lengede die Produktion
eingestellt. Die
endgültige Schließung der Gruben erfolgte für Bülten im Juni 1979 und
für Lengede ein halbes Jahr später.
Im November 1982 und April 1983
folgte die Stilllegung der zwei noch produzierenden Hochöfen in Groß
Ilsede.
Ende August 1995 mit Einstellung des Kraftwerks- und
Kokereibetriebes wurde der Produktionsstandort endgültig aufgegeben."
Diese Daten haben die Zeitorte (siehe Foto-Quelle) zusammen
getragen. Danke!

Am Eingang
steht diese Förderseil-Umlenkscheibe vom Förderturm des
Emilie-Schachtes, der als letztes (bis 1939) Eisenerz aus 248 m Teufe
förderte.

Zunächst komme ich am Kugelwasserturm an.
Im gelben Gebäude lag die Umformerstation, die den Wechselstrom aus der Leitung
in den für die Betriebsabläufe notwendigen Gleichstrom
umformte.
Da
im Betrieb mit über 1000° C hantiert wird, ist natürlich Kühlung
erforderlich, damit die Anlage nicht wegschmilzt.
In der Kugel
werden 1200 m3 Wasser
bereit gehalten, falls mal eine Störung auftreten sollte.

Deshalb sind
solche Leitungen über das Betriebsgelände verteilt.

Die
Generatoren aus der Umformerhalle.

Rechts ist der
Umformer für Gleichstrom. Schwagerchen, erkennst Du alles?

Vom
Wasserturm kann man auf den Gewerbepark Ilsede blicken. Einige ehemalige
Betriebsgebäude werden heute von Gewerbebetrieben genutzt.

In der
Gebläsehalle arbeiteten 5 Gebläsemaschinen, die den Hochofenwind
erzeugten.
Der war natürlich erhitzt, um das System nicht unnötig
abzukühlen.
Wegen seiner Architektur wurde das Gebäude als
"Kathedrale der Industrie" beschrieben.

Am ehemaligen
Tor 5 steht eine solche Gebläsemaschine.

Auch andere
Betriebsgebäude wurden architektonisch aufmerksam geplant.

Leider sind
Glasscheiben nicht sehr stabil. Hier wäre wohl eine Renovierung nötig,
ehe das Gebäude genutzt werden kann.

Das sieht aus
wie ein Fahrzeugschuppen.

Von der
Dampfzentrale ist nur noch dieses Gerippe übrig geblieben.

Die Ilseder
Hütte ging dazu über, Steinkohle selbst zu verkoken, um den wertvollen
Brennstoff zu erhalten, der höhere Temperaturen erzeugt.
Die
Steinkohle wird unter Hitze (1.100 °C) umgewandelt. Der (nicht das!)
Koks wird - noch glühend heiß - in den Kokslöschwagen umgefüllt
und
sofort zur Löschstation gebracht, wo ihn 28 m3
Löschwasser in 2 Minuten löschten.

Wenn Eisenerz
und Koks in einem Hochofen erhitzt werden, trennen sich die Bestandteile
nach ihrem Gewicht.
Um an das schwerere Eisen (unten) ranzukommen,
wurde die Schlacke in den Schlackenpfannenwagen abgelassen.

Davon können
solche "Steine" erzeugt werden.
Meist wird heute die Schlacke
gemahlen. "Neben der Erzeugung von Hüttensand, Hüttensteinen bzw. -bims
und Schlackenwolle wird sie auch zu
Straßen- und Gleisschotter,
Schlackensteinen, Portlandzement und Hochofenzement verarbeitet."

Nach dem
Abstich muss der Hochofen wieder geschlossen werden. Dabei ist diese
Maschine hilfreich.

Das sind die
relativ hitzeresistenten Kohlenstoffsteine.

Der Rest von
einem Kühlturm.
So wie rechts (aus dem Flyer) sah er bis vor 2 Jahren aus, dann brannte
er ab.

Diese
Kühlteiche unterstützten die Kühlung.
Heute lässt man sie als Biotope
in Ruhe, wenn nicht gerade Vandalen Altreifen reinwerfen.

Die
hinteren Teiche sind bereits verlandet und von vielen Vögeln und
Insekten besiedelt.

Auf diesem
"Bunker" stand das Kraftwerk des Betriebs.

So soll es
ausgesehen haben, wie auf einer Leinwand gezeigt wird.

Zu guter
Letzt: Das Arboretum, das heute das Gelände füllt, wurde von
Makramee-Freunden genutzt, um das Peiner Symboltier, die Eule,
auszustellen.
14 Tagebaue und Klärteiche in Lengede

Lengede, ein Dorf im Kreis Peine.
Ein Dorf, das in sein Wappen das Mauerwerk seiner Kirche aus dem 12. Jahrhundert
aufnimmt.
Diese Kirche unterstand der hildesheimischen
Landesherrschaft (rot, gold). Außerdem steht in der Mitte des Wappens
die Karbidgrubenlampe.
Ein Hinweis auf Bergbau. Im Jahr 2022 war ich ja öfter auf
der Spur vom Bergbau in unserer Region.
Und jetzt kommt also noch eine
Bergbau-Siedlung dazu? Man sieht es an der Plakette: Eisererzabbau
seit 1872.
Oberirdisch wurde früher Tagebau
betrieben. Dabei fiel auch Wasser an, das in Teichen aufbewahrt wurde, damit sich Schwebstoffe absetzen,
um das Wasser (wie im Oberharzer
Wasser-Regal) nutzen zu können.

Ich bin dem
Schild "Radweg zu den Lengeder Teichen" gefolgt.
"Seit 1982 sind die Lengeder Teiche
als Naturschutzgebiet mit einer Größe von rd. 130 ha ausgezeichnet und
sind aus landschafts-,
vegetationskundlichen- und faunistischen Aspekten
sowie deren Bedeutung für die Wissenschaft zu erhalten."

Es lässt
sich noch vermuten, dass hier mal ein Klärteich war.

Weiter
hinten sollen noch wassergefüllte Teiche sein.
Aber bei dem Regen
habe ich hier abgebrochen. Irgend so eine Wildsau hat den Weg
aufgewühlt.
Der lehmige Weg wurde sehr rutschig, den guten Rutsch
wollte ich noch etwa einen Monat verschieben!

Lehm? Da war
doch irgendwo die Börde mit Lösslehm? Und dann werden natürlich
Starkzehrer wie Zuckerrüben angebaut.
So weit, so bekannt. Aber am
24.10.1963 passierte in Lengede etwas, das auch einen 15-jährigen Jungen in
Verden beeindruckte:
Wie beim Wunder von Bern ging es auch hier um 11
Männer, aber die Geschichte verlief etwas tragischer!

Im Bergwerk Mathilde arbeiteten gerade die Männer ihrer Schicht.
Gegen 20 Uhr brach ein Klärteich ein, weil der Schrägschacht aus der Zeit
der
Wassernutzung unzureichend abgedichtet war. 475 000 Kubikmeter
Wasser und Schlamm ergossen sich in den Schacht und füllten
die 100
m-Sohle und auch die 60 m-Sohle komplett auf. Die 129 Männer der Schicht
saßen in der Falle!
"Fast 24 Stunden nach dem Unglück werden gegen 19 Uhr
sieben Bergleute, die in 40 Metern Tiefe eingeschlossen waren,
gerettet - von Kumpeln, die sich ohne Genehmigung der Grubenleitung
noch einmal in den Schacht abgelassen haben, um nach Vermissten zu
suchen.
Am Sonnabend brüten Rettungskräfte und Techniker wieder über
den Tunnelskizzen des Bergwerks. Sie berechnen, dass sich am Ende
einzelner
Stollen Luftblasen gebildet haben könnten - und dass sich
dort möglicherweise Überlebende aufhalten. Die Einsatzleitung
beschließt,
an verschiedenen Orten zu bohren."
Quelle
Drei Männer am Ende des 100 m-Schachtes überlebten, weil
das Wasser sie in einer Luftblase einschloss.
Sie wurden durch eine Probebohrung versorgt.
Am
28.10 wurden sie durch eine erfolgreiche Bohrung von einem höheren
Schacht gerettet.
Das waren also 10 von 129, die man retten konnte.
Weil eine Schichtbelegschaft fehlte, bestand die Belegschaft am 2.11.
darauf, noch eine Probebohrung von der Erdoberfläche aus anzusetzen;
Denn diese Schicht arbeitete in der Nähe eines schräg nach oben
verlaufenden Alten Mannes (Altstollen, der dem Zerfall überlassen
wurde.)
Wenn sie Glück hatten, endet der Stollen mit einer
Luftblase... "Über Tage hat
der Hüttendirektor sie bereits für tot erklärt, die Trauerfeier ist
für
den 4. November angesetzt; 500 Mark an die Witwen sind ausbezahlt,
damit sie die Beerdigung finanzieren können.
Auch die Bergungskolonnen
sind bereits abgerückt. Doch einige der Hauer lassen nicht locker,
sie hoffen, dass noch Bergleute am Leben sein
könnten - im "Alten Mann".
Der Grubendirektor glaubt nicht an Wunder, aber er fürchtet den Zorn
der Kumpel und den Druck der Medien.
Er lässt noch einmal bohren - wider
besseren Wissens, wie er sagt....
Es ist reiner Zufall - und
unglaubliches Glück: Am 3. November wird 200 Meter vom gefluteten
Hauptschacht entfernt genau der richtige Punkt
getroffen. Im "Alten
Mann", dessen genaue Lage nicht kartiert war, hören elf Überlebende auf einmal wirkliche Bohrgeräusche,
Wasser
spritzt über ihre Köpfe. Sie tasten die dunkle Höhle ab (Batterien waren
verbraucht,keine Lampen mehr vorhanden), verzweifelt
auf der
Suche nach etwas, mit dem sie sich bemerkbar machen können.
Wolter hat ein Taschenmesser im Schuh, mit steifen Armen versucht er,
es
schnell herauszuziehen, er klopft wild auf das Metallrohr. Über Tage
herrscht Fassungslosigkeit über die Klopfzeichen. Dann Freude.
Die
Bergungstruppen und die Gerätschaften werden wieder zurückbeordert, die
Familien informiert."
Quelle
Durch Zettel nahm man Verbindung auf und erfuhr, dass sich
21 Männer in diesen Bruch retten konnten,
aber 10 davon wurden durch
herabfallende Gesteinsbrocken getötet. Technisch musste man nun Neuland betreten, denn die Rettung konnte nur
von oben erfolgen. Man musste also eine 60 cm-Bohrung in einen
verfallenden Stollfen durchführen, ohne Luft aus der Luftblase zu
verlieren.
Und die Männer mussten irgendwie nach oben kommen.
Mir ist
in Erinnerung geblieben, dass der "Lift" in Form einer "Dahlbusch-Bombe"
betrieben wurde. Endlich mal eine friedliche Nutzung für eine Bombe.
Am 6. November wurde im Fernsehen life übertragen, wie die Männer
gerettet wurden. Ich hatte mich noch nicht sehr fürs Tagesgeschehen
interessiert, aber da hing auch ich am Fernseher.
Lt. NDR gehörte ein Elektriker zu den Eingeschlossenen, der Überstunden
abgeleistet hatte, um am nächsten Tag für seine Hochzeit frei zu haben.
Das wäre doch für Rosamunde Pilcher eine geeignete Story! Aber verfilmt
wurde "das Wunder von Lengede" vom NDR.
Und die Hochzeit fand ein
halbes Jahr später statt. Ende gut, alles gut? Leider wird in den
Filmen nur bis zur Hochzeit gedreht.
Wie es dann weitergeht, kenn ich
aus eigener Anschauung.

Dieses
Foto auf einer Schautafel zeigt die Anlage von Schacht Mathilde. Das
Hauptgebäude (roter Punkt) des Schachts ist heute abgerissen.

Aber
einige andere Gebäude blieben erhalten und sind heute Sitz von
Gewerbebetrieben

Es
handelt sich um die in der Mitte der Anlage stehenden Bauwerke (blauer
Punkt), die auf
der Tafel quer stehen.


Die
Giebel finde ich interessant.

Vor dem
damaligen Hauptgebäude (grüner Punkt) hat man jetzt eine Gedenkstätte
eingerichtet.

Die
Gedenkstätte ist frei zugänglich.

Hier
fanden die lebensrettenden Aktionen statt.

Der
Bohrschacht für die Suchbohrung, die als reine Hoffnung gestartet wurde.

Der
"Liftschacht" für die Dahlbuschbombe.

Eine
Gedenktafel erinnert an die Männer, die nicht geborgen werden konnten.

Diese
Tafel erinnert an die geborgenen Toten, die von ihren Angehörigen
bestattet werden konnten.

Merkwürdig, Schacht Mathilde wurde noch von einer anderen Katastrophe -
einer Sprengstoffexplosion - heimgesucht.
Für die Opfer wurde diese
Tafel ergänzt.

Gedenkstelen für die Opfer.

Der
Bohrkopf, der Menschenleben retten konnte. Der
Adler am Schacht hatte alles im Blick.
Im Gegensatz zu Justitia. Ein
Gutachten besagte zwar: „Der Betrieb des Klärteiches stellte unter den
geschilderten Umständen von Anfang an ein
höchstgefährliches Risiko
dar“. Und nach Wikipedia gab es schon vorher Wassereinbrüche, aber es
gab nie eine Anklage!
Übersicht 2020
Übersicht 2021
Übersicht 2022
Übersicht 2023