Das Wunder von (Bern) - Lengede


      

Lengede, ein Dorf im Kreis Peine. Ein Dorf, das in sein Wappen das Mauerwerk seiner Kirche aus dem  12. Jahrhundert aufnimmt.
Diese Kirche unterstand der hildesheimischen Landesherrschaft (rot, gold). Außerdem steht in der Mitte des Wappens die Karbidgrubenlampe.
Ein Hinweis auf Bergbau. Im Jahr 2022 war ich ja öfter auf der Spur vom Bergbau in unserer Region.
Und jetzt kommt also noch eine Bergbau-Siedlung dazu? Man sieht es an der Plakette: Eisererzabbau seit 1872.
Oberirdisch wurde früher Tagebau betrieben. Dabei fiel auch Wasser an, das in Teichen aufbewahrt wurde, damit sich Schwebstoffe absetzen,
um das Wasser (wie im Oberharzer Wasser-Regal) nutzen zu können.



Ich bin dem Schild "Radweg zu den Lengeder Teichen" gefolgt.
"Seit 1982 sind die Lengeder Teiche als Naturschutzgebiet mit einer Größe von rd. 130 ha ausgezeichnet und sind aus landschafts-,
vegetationskundlichen- und faunistischen Aspekten sowie deren Bedeutung für die Wissenschaft zu erhalten."



Es lässt sich noch vermuten, dass hier mal ein Klärteich war.



Weiter hinten sollen noch wassergefüllte Teiche sein.
Aber bei dem Regen habe ich hier abgebrochen. Irgend so eine Wildsau hat den Weg aufgewühlt.
Der lehmige Weg wurde sehr rutschig, den guten Rutsch wollte ich noch etwa einen Monat verschieben!



Lehm? Da war doch irgendwo die Börde mit Lösslehm? Und dann werden natürlich Starkzehrer wie Zuckerrüben angebaut.

So weit, so bekannt. Aber am 24.10.1963 passierte in Lengede etwas, das auch einen 15-jährigen Jungen in Verden beeindruckte:
Wie beim Wunder von Bern ging es auch hier um 11 Männer, aber die Geschichte verlief etwas tragischer!



Im Bergwerk Mathilde arbeiteten gerade die Männer ihrer Schicht. Gegen 20 Uhr brach ein Klärteich ein, weil der Schrägschacht aus der Zeit der
Wassernutzung unzureichend abgedichtet war. 475 000 Kubikmeter Wasser und Schlamm ergossen sich in den Schacht und füllten
die 100 m-Sohle und auch die 60 m-Sohle komplett auf. Die 129 Männer der Schicht saßen in der Falle!
"Fast 24 Stunden nach dem Unglück werden gegen 19 Uhr sieben Bergleute, die in 40 Metern Tiefe eingeschlossen waren,
gerettet - von Kumpeln, die sich ohne Genehmigung der Grubenleitung noch einmal in den Schacht abgelassen haben, um nach Vermissten zu suchen.
Am Sonnabend brüten Rettungskräfte und Techniker wieder über den Tunnelskizzen des Bergwerks. Sie berechnen, dass sich am Ende einzelner
Stollen Luftblasen gebildet haben könnten - und dass sich dort möglicherweise Überlebende aufhalten. Die Einsatzleitung beschließt,
an verschiedenen Orten zu bohren." Quelle
Drei Männer am Ende des 100 m-Schachtes überlebten, weil das Wasser sie in einer Luftblase einschloss.
Sie wurden durch eine Probebohrung versorgt. Am 28.10 wurden sie durch eine erfolgreiche Bohrung von einem höheren Schacht gerettet.
Das waren also 10 von 129, die man retten konnte.
Weil eine Schichtbelegschaft fehlte, bestand die Belegschaft am 2.11. darauf, noch eine Probebohrung von der Erdoberfläche aus anzusetzen;
Denn diese Schicht arbeitete in der Nähe eines schräg nach oben verlaufenden Alten Mannes (Altstollen, der dem Zerfall überlassen wurde.)
Wenn sie Glück hatten, endet der Stollen mit einer Luftblase... "Über Tage hat der Hüttendirektor sie bereits für tot erklärt, die Trauerfeier ist
für den 4. November angesetzt; 500 Mark an die Witwen sind ausbezahlt, damit sie die Beerdigung finanzieren können.
Auch die Bergungskolonnen sind bereits abgerückt. Doch einige der Hauer lassen nicht locker, sie hoffen, dass noch Bergleute am Leben sein
könnten - im "Alten Mann". Der Grubendirektor glaubt nicht an Wunder, aber er fürchtet den Zorn der Kumpel und den Druck der Medien.
Er lässt noch einmal bohren - wider besseren Wissens, wie er sagt....
Es ist reiner Zufall - und unglaubliches Glück: Am 3. November wird 200 Meter vom gefluteten Hauptschacht entfernt genau der richtige Punkt
getroffen. Im "Alten Mann", dessen genaue Lage nicht kartiert war, hören elf Überlebende auf einmal wirkliche Bohrgeräusche,
Wasser spritzt über ihre Köpfe. Sie tasten die dunkle Höhle ab (Batterien waren verbraucht,keine Lampen mehr vorhanden), verzweifelt auf der
Suche nach etwas, mit dem sie sich bemerkbar machen können. Wolter hat ein Taschenmesser im Schuh, mit steifen Armen versucht er,
es schnell herauszuziehen, er klopft wild auf das Metallrohr. Über Tage herrscht Fassungslosigkeit über die Klopfzeichen. Dann Freude.
Die Bergungstruppen und die Gerätschaften werden wieder zurückbeordert, die Familien informiert." Quelle
Durch Zettel nahm man Verbindung auf und erfuhr, dass sich 21 Männer in diesen Bruch retten konnten,
aber 10 davon wurden durch herabfallende Gesteinsbrocken getötet. Technisch musste man nun Neuland betreten, denn die Rettung konnte nur
von oben erfolgen. Man musste also eine 60 cm-Bohrung in einen verfallenden Stollfen durchführen, ohne Luft aus der Luftblase zu verlieren.
Und die Männer mussten irgendwie nach oben kommen.
Mir ist in Erinnerung geblieben, dass der "Lift" in Form einer "Dahlbusch-Bombe" betrieben wurde. Endlich mal eine friedliche Nutzung für eine Bombe.
Am 6. November wurde im Fernsehen life übertragen, wie die Männer gerettet wurden. Ich hatte mich noch nicht sehr fürs Tagesgeschehen
interessiert, aber da hing auch ich am Fernseher.
Lt. NDR gehörte ein Elektriker zu den Eingeschlossenen, der Überstunden abgeleistet hatte, um am nächsten Tag für seine Hochzeit frei zu haben.
Das wäre doch für Rosamunde Pilcher eine geeignete Story! Aber verfilmt wurde "das Wunder von Lengede" vom NDR.
Und die Hochzeit fand ein halbes Jahr später statt. Ende gut, alles gut? Leider wird in den Filmen nur bis zur Hochzeit gedreht.
Wie es dann weitergeht, kenn ich aus eigener Anschauung.



Dieses Foto auf einer Schautafel zeigt die Anlage von Schacht Mathilde. Das Hauptgebäude (roter Punkt) des Schachts ist heute abgerissen.



Aber einige andere Gebäude blieben erhalten und sind heute Sitz von Gewerbebetrieben



Es handelt sich um die in der Mitte der Anlage stehenden Bauwerke (blauer Punkt), die auf der Tafel quer stehen.






Die Giebel finde ich interessant.


Vor dem damaligen Hauptgebäude (grüner Punkt) hat man jetzt eine Gedenkstätte eingerichtet.



Die Gedenkstätte ist frei zugänglich.



Hier fanden die lebensrettenden Aktionen statt.



Der Bohrschacht für die Suchbohrung, die als reine Hoffnung gestartet wurde.



Der "Liftschacht" für die Dahlbuschbombe.



Eine Gedenktafel erinnert an die Männer, die nicht geborgen werden konnten.



Diese Tafel erinnert an die geborgenen Toten, die von ihren Angehörigen bestattet werden konnten.



Merkwürdig, Schacht Mathilde wurde noch von einer anderen Katastrophe - einer Sprengstoffexplosion - heimgesucht.
Für die Opfer wurde diese Tafel ergänzt.



Gedenkstelen für die Opfer.

        

Der Bohrkopf, der Menschenleben retten konnte.                                   Der Adler am Schacht hatte alles im Blick.
Im Gegensatz zu Justitia. Ein Gutachten besagte zwar: „Der Betrieb des Klärteiches stellte unter den geschilderten Umständen von Anfang an ein
höchstgefährliches Risiko dar“. Und nach Wikipedia gab es schon vorher Wassereinbrüche, aber es gab nie eine Anklage!

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